In der Logopädie unterscheidet man das Stottern oder Poltern von Erwachsenen von Redeflussstörungen bei Kindern. Innerhalb der Sprachentwicklung bei Kindern können Unflüssigkeiten auftauchen und wieder verschwinden. Bei Jugendlichen und Erwachsenen haben sich diese in der Regel bereits verfestigt. Darüber hinaus ist ein Bewusstsein für die Störung entstanden und das Stottern oder Poltern wirkt sich auf das gesamtes Sprech-, Kommunikations- und auch Sozialverhalten aus.

Auftreten und Ursachen von Stottern oder Poltern bei Erwachsenen

Laut Studien aus den 90er Jahren seien ca. 1% der Jugendlichen und Erwachsenen von Stottern betroffen. Das Poltern käme minimal weniger vor. Generell kommen Stottern oder Poltern bei Jungen bzw. Männern fast doppelt so häufig vor wie bei Mädchen oder Frauen. Oft werden auch Mischformen von Poltern und Stottern mit unterschiedlichen Gewichtungen der beiden Störungen beobachtet.

Die Ursachen bei beiden Störungen sind vielschichtig. Redeflussstörungen können durch Vererbung, Traumata oder zum Beispiel durch neurologische Erkrankungen entstehen. In manchen Fällen liegt auch ein erlerntes Verhalten vor.

Untersuchungen mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (MRT) zeigten, dass polternde Menschen im Vergleich zu stotternden Menschen im Gehirn andere neurophysiologische Aktivierungen vorweisen. Beim Poltern spricht der Betroffene, bevor die Sprechplanung abgeschlossen ist. Darüber hinaus offenbarten die Untersuchungen noch einen weiteren Aspekt: die Vererbung. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass Poltern erblich bedingt ist. Dies wird durch die Beobachtungen gestützt, dass das Poltern der Proband*innen innerhalb der Familien über mehrere Generationen auftritt.

Wie kann eine Redeflussstörung bei Erwachsenen aussehen?

Unsere Fachtherapeut*innen unterscheiden in der Stottersymptomatik die primären und die sekundären Symptome. Beide treten gemeinsam auf und haben Auswirkungen auf den Sprechablauf. Zu den primären Merkmalen zählt man die eigentliche Unterbrechung des Redeflusses:

  • Wiederholung von Einzellauten oder Silben: "ich kkkkomme dann um füfüfüfünf"
  • Prolongationen (Lautdehnungen): "vvvvvvvielleicht am SSSSSSSSSamstag"
  • Unterbrechung von Wörtern: "das kommt ganz au------tomatisch"
  • Hörbare oder stumme Blockaden: "i……ch brauche manchmal ………etwas länger"

Damit einher gehen die sekundären Symptome, die sich Betroffene bewusst und unbewusst angeeignet haben. Darunter zählt man:

  • Starthilfen: "ähm, also, ich sag mal…"
  • Lückenfüller: Räuspern, ähm, Nachdenken
  • Abbrüche und evtl. veränderte  Neuversuche: "gestern war ich im K----, also hab ich mir einen Film angesehen"

Das Poltern hingegen zeigt sich in einem schnellen und/oder unregelmäßig schwankendem Sprechtempo. Laute, Silben, Wörter und Phrasen werden dabei ausgelassen, verschmelzen miteinander und artikulatorisch verändert.  

Beispiel: "gsan awnch auwan fan" (Gestern Abend bin ich auf der Autobahn gefahren).

Zusätzlich bestehen sehr häufig Unflüssigkeiten in Form von Wiederholungen von Silben, Wörtern und Satzteilen, oder lockeren Lautwiederholungen.

Beispiel: "Chill, cheiß ni nich" (Ich will- ich weiß ni-nicht).

Polternde Menschen leiden unter mangelnder Sprechkontrolle. Sie wissen zwar, dass sie schnell und undeutlich sprechen, können ihr Sprechen aber nicht kontrollieren.

Therapie von Stottern oder Poltern bei Erwachsenen

In der Therapie verfolgen wir zwei Ansätze. Zum einen wollen wir eine Veränderung des Sprechens erreichen. Dabei trainiert man die Veränderung von Atmung, Artikulation (Aussprache), Stimmeinsatz oder auch  Prosodie (Sprechmelodie). Die Betroffenen erlernen eine völlig neue Sprechweise, die (noch) nicht mit Stottern verbunden ist und daher eine höhere Sprechflüssigkeit ermöglicht. Zum anderen soll eine
Veränderung des Stotterns erzielt werden. Dabei soll der Stotternde sich mit dem Stottern direkt und nicht mit seiner Vermeidung auseinandersetzen. Innerhalb der Therapie sollen die Patient*innen die sekundären Merkmale abbauen und so den Status des Nettostotterns erreichen. Im Anschluss wird das "reine" primäre Stottersymptom behandelt und die Betroffenen müssen nur noch bei Auftreten der Symptomatik reagieren und können ansonsten spontane, ungehemmte Kommunikation betreiben.

Bei der Behandlung des Polterns wollen unsere Logopäd*innen eine grundlegende Besserung der Symptomatik erzielen. Dies geschieht durch Übungen zur Wahrnehmung der Symptome, Übungen zur sofortigen Korrektur "gepolterter" Sprache, Übungen zum Umgang mit verschiedenen Sprechgeschwindigkeiten und sprachliche Strukturierungsübungen. Die Therapieergebnisse werden in das "echte Leben" (In-vivo Training) übertragen, so dass die Therapieeffekte nachhaltig sind und es zu einer verbesserten Lebensqualität kommt.